Muss ich in Therapie? 


Erinnern Sie sich noch, als einem Abos an der Haustüre aufgeschwatzt wurden. Etliche der so abonnierten Zeitschriften gibt es dank der trägen Abonnentenschar immer noch. Rein kommt man nämlich leichter als raus. Das muss noch nicht mal an unseriösem Geschäftsgebaren liegen. Oft findet man die Unterlagen nicht mehr, versäumt den richtigen Zeitpunkt oder hat Sorge, auch noch diese Struktur in seinem Leben zu verlieren. Irgendwann sagt man sich, sollen sich doch meine Erben um die Kündigung kümmern.


Ich bin da anders. Ich möchte meiner Nachwelt solchen Verwaltungskram ersparen. Mittlerweile hat sich daraus eine regelrechte Abophobie entwickelt. Das liegt wohl an der Reizüberflutung. Zwar werden einem Abos nicht mehr an der Haustüre aufgeschwatzt, dafür umso massiver auf dem Monitor. Dauernd dient einem da jemand einen - möglichst lebenslangen - Vertrag an.  Wo man früher einfach eine Software heruntergeladen hat und ohne Paypal-Konto oder Visa-Card nur mal einen interessanten Artikel lesen konnte, muss man jetzt ein Abo abschließen. Reflexartig schaltet mein Hirn mittlerweile in den Alarmmodus wenn es irgendwo das Wort „Abo“ entdeckt und meine Hände vollführen dann unwillkürlich hektische Wisch- und Klickbewegungen. 


Leider kann ich mich darauf nicht verlassen.  Manchmal bin ich abgelenkt. Etwa als ich neulich mit meinem Enkel den AppStore durchstöberte, um mit einem neuen Lernspiel dessen derzeit oft etwas eintönigen Alltag aufzupeppen. Da stand dann unter dem Betrag von 4,99 Euro, der früher einmalig bezahlt werden musste, plötzlich „monatlich“. Was ich aber überlesen habe. Schon war ich dabei. Auch mit dem Herunterladen einer „Testversion“ habe ich unwissentlich ein Abo abgeschlossen. Mancher Coronagewinnler will sich so offenbar auch dann noch Einnahmen sichern, wenn die Kinder endlich wieder raus und analog spielen können und setzt auf blöde Opas die weiterhin für ein Buchstabenlernprogramm zahlen, während der Enkel längst Hegel studiert.


Weil ich als Abophobiker nicht allein bin gibt es auch Hilfe im Netz. Dienste wie „Aboalarm“ oder „smartkündigen“ erinnern an den Kündigungstermin und sorgen für formgerechtes Abmelden.  Nachdem ich aber auch eine Ratgeberseite gefunden habe, die erklärt, wie man bei „Aboalarm“ kündigt, brachen bei mir wieder die Symptome durch. 


Vielleicht muss ich mal in Therapie. Vorerst gilt jedoch Abovermeidung. Kleines Handgepäck, oder wie es inzwischen heißt: schmaler Fußabdruck! Für die Nachwelt.     



Sozial-medialer Lockdown   

  

Einsamkeit hat bekanntlich viele Namen. Inzwischen ist ein neuer hinzugekommen: Elon Musk. 


Nachdem ich schon im echten Leben kaum noch Leute treffe, droht mir dank Musk nun auch der sozial-mediale Lockdown. Bei Facebook und Instagram hat mich bereits die Datenkrake Zuckerberg vertrieben. Tiktok gehört einer obskuren chinesischen Firma und außerdem bin ich dafür irgendwie zu alt. So blieb mir nur noch Twitter. Als jedoch Tesla-Chef Musk die Übernahme angekündigt hatte, war es auch da vorbei mit dem Frieden. Darf ich dort künftig Negatives über reiche Oligarchen schreiben? Darf ich noch über E-Autos ablästern? Muss ich gar Donald Trump mögen? 


Da traf es sich gut, dass bei Twitter auch andere die Flucht ergreifen wollten und mir Mastodon empfahlen. Die Plattform sei wie Twitter, nur besser, werbefrei und dezentral aufgebaut, weshalb sie nicht von einem „reichen Sack“ dominiert werden könne. Das leuchtete mir ein. 


Leider gestaltete sich die Anmeldung dann um einiges schwieriger als von Twitter, Facebook und Co. gewohnt. Erst einmal muss man sich nämlich für eine „Instanz“ entscheiden. Allein unter den deutschsprachigen „Instanzen“ werden mehr als 100 angeboten. Etwa „Feuerwehr“, „Kirche“ oder „Bildung“. Also eher nichts für mich. Die meisten anderen sind geografisch orientiert. Da gibt es „Instanzen“ für Freiburg, Fulda, Magdeburg, Potsdam oder Hannover. Für mein Kaff jedoch nicht. Nicht einmal Nürnberg, Fürth oder Erlangen sind aufgeführt. Zähneknirschend habe ich mich also der Instanz „Bayern“ angeschlossen und dort gleich mal ein Frankenfähnchen aufgehängt. Ob es am hochgeladenen Frankenrechen liegt, dass ich praktisch keine Resonanz bekomme oder daran, dass in „Bayern“ kaum einer unterwegs ist, ich weiß es nicht. 


Auch meine Bemühungen, andere Onlinekontakte zum Umzug zu bewegen, um zukünftig wenigstens noch ein bisschen Onlinekonversation betreiben zu können, waren wenig erfolgreich. Einer meinte nur: „Mastodon, das klingt doch wie ein Mittel gegen Blähungen.“   



Für Notfälle gerüstet 


Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde ich als pessimistischer Kathastrophenheini, ja sogar als Prepper beschimpft, nur weil ich immer einen Ersatzakku, eine sogenannte Powerbank, mitschleppte,  damit ich das Handy benutzen kann, auch wenn es leer ist. 


Schon nach wenigen Wochen gaben diese Geräte aber keinen Mucks mehr von sich. Vielleicht hätte ich die Amazonkommentare  lesen sollen („Chinaschrott“). Bei der mittlerweile fünften Powerbank blieb ich während des Ladevorgangs dabei, um gegebenenfalls eingreifen zu können, falls sie sich unwohl fühlt.  Inzwischen hat mir allerdings jemand geraten, das Kabel nicht im Akku stecken zu lassen, dann gehe der auch nicht gleich kaputt. Der sechste Akku funktioniert daher immer noch.



Während ich also Lehrgeld zahlte, besorgten sich jene Leute, die mich gerade noch beschimpft hatten, neben Wasseraufbereitern und Fluchtrucksäcken dicke Stromgeneratoren um für den, nun auch für  sie nicht mehr ganz so abwegigen, Blackout gerüstet zu sein. Wenn bei den anderen nichts mehr geht, hätten sie dann immer noch Internet. 


Aber halt auch nur so lange das Benzin für den Generator reicht. 


Um längere Stromausfälle zu überbrücken, schien es mir dagegen sinnvoller auf Muskelkraft zu setzen. Also habe ich ein günstiges Kurbelradio erstanden. Da muss man eine Minute kurbeln und kann dann eine Stunde lang Bayern 3 hören. 


Kurbeln geht immer, auch wenn der Tank oder der Akku leer ist. Nur fürs Handy liefert die Kurbelei nicht genug Strom. Wenn alle Stricke reißen meldet sich hier also nicht mehr „der Depp im Web“, sondern „der Depp vorm Radio“.    



Zurück in die Zukunft 


„Ich bin nur von Deppen umgeben“, klagte neulich jemand, worauf ich zustimmend nickte. Dabei müsste ich mich eigentlich wohlfühlen unter meinesgleichen. Aber selbst als Depp liebt man stabile Strukturen. Denn wenn nicht mal das Neuland mehr Neuland ist, dann wird es schwierig.


Im Augenblick ist das mehr so ein Kenn-ich-doch-alles-schon-Land. 


Da kommt zum Beispiel der Facebookchef mit Metaverse ums Eck und es stellt sich raus, dass das nur ein Aufguss von SecondLife ist, wo ich seit 15 Jahren noch einen Avatar herumstehen habe. Und da ist da noch der Teslachef, der nun doch Twitter gekauft hat, und mich zwingt, längst vergessene Plattformen aufzusuchen.  LinkedIn oder Xing zum Beispiel. Oder auch Mastodon, wo ich mich neulich, wie viele andere frustrierte Twitterer, angemeldet hatte, mir  aber prompt jemand mitteilte, ich sei schon längst Mitglied in dem Verein. 


Zu Instagram kehrte ich ebenfalls zurück. Immerhin wusste ich noch mein Passwort. Sogar per Browser kam ich rein. Dass das inzwischen geht, ist mir völlig entgangen. Dabei bin ich mit diesem  Fotoalbum nie warm geworden, fand mich bei jenen Ikonoklasten wieder, die  Sätze liken wie : „Ein Wort sagt mehr als tausend Fotos.“ Nun muss ich also plötzlich mit diversen Filtern aufgeppte Alibibilder posten, um wenigstens ein paar persönliche Worte unters Volk zu bringen. 


Als Ausgleich zu dieser aufgehübschten Hochglanzwelt habe ich mir die BeReal-App runtergeladen. Da sollen die ungeschminkten Gesichter und das eher banale Leben der Nutzer gezeigt werden. Jeden Tag bekommt man zu einem zufälligen Zeitpunkt die Aufforderung, in den nächsten zwei Minuten ein aktuelles Bild von sich und seiner Umgebung zu posten. Ich war gerade auf dem Weg zum Klo und musste dringend.  Glück im Unglück: Außer mir nutzt niemand aus meinem Bekanntenkreis BeReal, also konnte auch niemand meine verzerrten Gesichtszüge sehen.                                                                                                                         


     



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