Lasst mich hier rein!


Blockchain, das sagt Ihnen vielleicht nichts. Mir, trotz mehrfacher Erklärung, auch nicht. Deswegen habe ich mein mühsam - u.a. mit solchen Kolumnen - verdientes Geld bislang immer noch nicht in, auf der Blockchaintechnologie basierende Kryptowährungen angelegt. Als mich neulich jedoch auf meinem Monitor Helge Schneider, Oliver Welke, und Toni Kroos gewinnend angrinsten, um mich zum Kauf von Bitcoins zu animieren, wäre ich fast wieder schwach geworden. Gottseidank dämpften die mitgrinsenden Carsten Maschmeyer und Dieter Bohlen meine Euphorie. Inzwischen stellte nämlich heraus, dass da Betrüger - ohne das Wissen besagter Promis - am Werk waren. Uff, und ich hatte schon Angst, der Dieter hat Blockchain verstanden!


Mittlerweile habe ich zudem gelesen, dass sich dabei ohnehin nur Gewinne machen lassen, solange es noch einen größeren Deppen gibt, der einem am Ende die Bitcoins abnimmt. Womit der im Netz recherchierende Depp auch gleich beim zweiten Webaufreger der letzten Wochen landete. „Fast jeder Depp“ habe sich inzwischen zu Clubhouse geäußert, stand da. „Ich nicht!“, ließ ich den Verbreiter dieser Behauptung erst einmal wissen, fühlte mich dann aber dennoch berufen, diesem „neuen Netzwerk“ näherzutreten. Nicht bloß als Depp, sondern auch als Clubfan. Mein Verein, der das Deppentum bekanntlich ebenfalls intensiv pflegt, hat ein eigenes House? Wenn das nicht meine neue Heimat ist, was dann? 


Flugs meldete ich mich an, lud die App herunter und gab mir einen passenden Benutzernamen. Reingekommen bin ich trotzdem nicht. „Nur mit Einladung“, hieß es. Nun stehe ich da wie ein gestrandeter Urlauber, den sie nicht mehr nach Hause lassen. Ladet mich ein! Bitte, bitte! Ihr wollt doch nicht ernsthaft auf meine Expertise verzichten…           

                 


An der Verwandschaft abgeprallt


Mehr als 80 Prozent benutzen hierzulande WhatsApp. Ich gehöre auch dazu. Gezwungenermaßen. Meine Verwand- und Saufkumpelschaft ist dort unterwegs, versorgt mich mit witzigen Videos, mit eher mittel interessanten Links oder mit Neuigkeiten aus der Familie. Da macht man halt mit und denkt ansonsten nicht weiter nach.


Jetzt ändert WhatsApp seine Datenschutzrichtlinien, um nicht nur mit meinen Kontakten, sondern auch mit Facebook eine Verknüpfung herzustellen. Grund genug also, meinen Messengergruppen einen Wechsel zu Signal, Threema oder Wire ans Herz zu legen. Sowas praktiziere ich mit trauriger Regelmäßigkeit schon seit gut sechs Jahren. Damals wurde WhatsApp von Facebook geschluckt. „Sollten wir unsere lustigen Videos und Familienbotschaften nicht lieber bei Threema austauschen?“, schlug ich seinerzeit artig vor. Die Antworten reichten von „mein iPhone ist schon voll“ bis zur Frage, wie man denn mit „diesem Threema“ whatsappen soll?  Die meisten schwiegen allerdings einfach und dachten sich wohl: Lass den Deppen doch reden. 


Auch spätere Versuche verpufften. Es  passierte letztlich nichts. Wir sind immer noch bei WhatsApp. Wir versenden dort immer noch witzige Videos, semiinteressante Links und Neuigkeiten aus der Familie und ich klicke inzwischen halt jedesmal die Aufforderung, den neuen Richtlinien zuzustimmen, weg. 


Soll ich klein beigeben bevor sie mich ganz rauswerfen? Oder soll ich mich ein weiteres Mal an dieser Mauer des Schweigens abkaspern? Eines tröstet mich immerhin: Wenn es um WhatsApp geht, funktioniert sie, die Herdenimmunität.  



Eindeutige Angebote


Schon länger benutze ich das Betagtennetzwerk Facebook lediglich zur Geburtstagserinnerung. Morgens auf der Toilette checke ich, ob ein Geburtstagsalarm eingegangen ist, haue dann ein paar freundliche Zeilen in die virtuellen Tasten und putze mir danach beschwingt die Zähne.


Trotzdem herrscht auf dieser Geburtstagsapp reges Treiben. Obwohl meine guten Wünsche nur auf den Seiten der Geburtstagskinder aufscheinen, werden mir fortwährend anzügliche Freundschaftsangebote offeriert. Früher waren es noch stark geschminkte Frauen mit aufgeschäumten Lippen, die Donata, Lulu oder Denise hießen und exotische Nachnamen besaßen, manchmal auch Künstlernamen wie „Goldpforte“ oder „Weichhase“. Später wurden die Nachnamen kompatibler: Müller, Schulz, Krause…


Da das offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg zeitigte, haben sie einen neuen Dreh gefunden, den ultimativen Beleg für Seriosität, Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit: den Doppelnamen. Wem eine Frau mit Doppelnamen eine Freundschaftsanfrage sendet, der unterstellt keine unlauteren Absichten, der denkt, da will jemand mal gepflegt kommunizieren, nachdem die, meist den Namen des Mannes tragenden, Kinder aus dem Haus sind.


Warum ich diese Freundschaftsanfragen dennoch nicht gleich bestätigt habe, lag nur daran, dass mir die Doppelnamen irgendwie seltsam vorkamen. Renate Hinterhuber-Notnagel zum Beispiel. Oder Franziska Fertig-Gartenlaube. Da fühlte ich mich an meine (letztlich doch nicht so heißende) Ex-Kollegin Bock-Zumgärtner erinnert. Vorsichtshalber schaute ich mir die Profile dieser - offenbar von Zufallsgeneratoren kreierten - Doppelnamendamen genauer an und fand die bereits sattsam bekannten „Angebote“. Bei Käte Bastian-Drossel lautete dies beispielsweise: „Magst du Sex? Ich habe eine neue Whatsappgruppe für Dating und Sex erstellt. Jeder kann ohne Bedingungen beitreten. Hier sind viele schöne Mädchen und Witwen, die Sex brauchen. Es gibt überhaupt keine Zahlung. Klicken Sie hier!“ 


Vielleicht gibt es irgendwann eine Zahlung. Dann klicke ich eventuell. Vorerst nehme ich aber Abstand und verbleibe euer allzeit seriöser                                    Peter Viebig-Dingenskirchen   



Meine Bankenkrise


Ist der Depp nicht ein bisschen spät dran, wenn er jetzt über die Bankenkrise schreibt? Nein, ist er nicht. Meine Bankenkrise hat nämlich nichts mit Lehman oder Griechenland zu tun, sondern mit PushTan, ChipTan, PhotoTan, SMSTan, AppTan, FinTS, HBCI und PSD2. Gerade sind die Geldinstitute wieder am umstellen. Was die Sparkasse angeht, habe ich schon bei der App-Einführung im vergangenen Jahr aufgegeben. Offenbar in beiderseitigem Einvernehmen, denn selbst ein Unterstützungsersuchen per Brief blieb unbeantwortet.


Immerhin habe ich noch bei einer anderen Bank ein Konto. Doch da wurde inzwischen ebenfalls eine Umstellung und die Einführung einer App angekündigt.  Also gut: Noch relativ freudig klickte ich auf den Button „App herunterladen“. Ach so, die App gibt´s nur fürs Handy! Das musste aber erst aufladen werden. Die Sitzung war danach natürlich abgelaufen. 


Als ich die App endlich hatte, meldete ich mich erneut auf der Bankseite an, wo mich der Tadel empfing, ich hätte mich beim letzten Mal nicht ordnungsgemäß abgemeldet. Mit einem „Leckt mich!“ auf den Lippen (Sie merken, die Freude war gewichen)  und nach der neuerlichen Eingabe der Zugangsdaten, musste ich zunächst die inzwischen in einem Untermenü verschwundene Gebrauchsanleitung suchen. Ob ich die App „aktuell“ nutze, wurde ich dort gefragt. Hä? Die habe ich mir doch gerade heruntergeladen. Nachdem ich die drei (!) Schritte unter „Schritt 1“ erfolgreich ausgeführt hatte, stellte sich heraus, dass es zwei Apps unter dem gleichen Namen gibt. Eine alte und eine neue und dass sich die Frage, ob ich die App „aktuell“ nutze auf die alte, also auf die nicht aktuelle bezog. Muss man erst einmal draufkommen.


Könnte also doch eher „Option 3“ für Nutzer von „mobileTAN (SMS-TAN)“ die richtige für mich sein? Keine Ahnung, ob ich bisher „mobileTAN (SMS-TAN)“ verwendet habe. Bei mir hat halt bei jeder Überweisung das Handy gepiept und mir eine sechsstellige Nummer übermittelt, die ich dann ins freie Feld eingegeben habe. 


Die vier (!) Schritte unter „Schritt 1“ unter „Option 3“ gingen mir  immerhin noch locker von der Hand. Bei Schritt 3 unter „Schritt 2“ war ich dann aber bei der PIN-Eingabe nicht schnell genug, so dass die Sitzung erneut abgebrochen wurde. Dann doch die Erfolgsmeldung: Der Aktivierungscode werde mir „in den nächsten Tagen“ per Post zugestellt.


Das war vor ein paar Wochen. Passiert ist nichts, weshalb ich einen neuerlichen Anmeldeversuch startete. In meinem Übermut, schließlich wusste ich ja schon, wie es geht, erledigte ich parallel noch eine dringende Überweisung. Irgendwie muss ich dabei PIN und TAN, SMS und APP oder Push und Pull verwechselt haben. Jedenfalls flog ich ganz raus. Unter der für solche Fälle angegebenen 0800er-Nummer erfuhr ich nur, dass die Leitung wegen der aktuellen Umstellung nicht besetzt ist. Seitdem bin ich Teilnehmer des Offline-Bankings.


Als solcher musste ich zu allem Überfluss auch noch lesen, dass die hiesigen Banken weitere Filialen schließen wollen, weil die meisten Kunden sowieso Online-Banking machen. Das hat mich komplett runtergezogen. Wie haben die das geschafft? Sind die alle intelligenter als ich? Haben die Informatiker in der Familie? Bin ich einfach zu alt? 


Wenn Corona vorbei ist und ich nicht mit Leuten, die zum Husten die Maske abnehmen, vor dem verbliebenen Kundenbetreuer in der verbliebenen Filiale warten muss, hole ich mir mal ganz analog professionelle Hilfe. In der Zwischenzeit zahle ich bar. Oh, Moment, war da nicht auch was?