Schummeln hilft

 


„Im echten Leben kannst du auch nicht einfach die Reset-Taste drücken.“ So kommen mir bemühte Mitmenschen oft, wenn ich zugebe, beim Spielen gerne mal zu cheaten. Früher hieß das Schummeln. Das klang netter, weswegen unsere Generation sich dabei auch nicht so viel denkt.



Da schummelt mancher sogar im echten Leben. Ist ja nicht so schlimm. Notfalls geht man zur Beichte. 



Aber ich schweife ab. Hier soll es ums Spielen gehen. Da will man zum einen möglichst gewinnen, sich aber zum anderen auch nicht langweilen. Wenn ich zum Beispiel Monopoly spiele, höre ich sofort auf, wenn sich der Computer die orangenen Straßen (Münchner, Wiener, Berliner) schnappt. Ohne die hast du nämlich keine Siegchancen. Im „echten Leben“ geht das natürlich nicht. Da musst du das eh schon entschiedene Spiel bis zum bitteren Ende durchziehen, weil dir die Mitspieler gram sind, wenn du vorzeitig hinschmeisst. 



Bei SimCity (ja, ich spiele noch so alte Sachen, für die neueren müsste ich mir bessere Gerätschaften kaufen und das geht nicht bloß ins Geld, sondern schadet auch dem Klima) schummle ich mir gerne mal einen Millionenbetrag in den Stadtsäckel. Ich nenne das einfach Finanzausgleich, da hat das dann seine Ordnung. Jedenfalls muss ich so nicht warten, bis meine Bewohner mühsam von ihrer Hände Arbeit das Geld für eine kleine Feuerwache zusammengestottert haben. Da baue ich lieber gleich die größere und kann mich verstärkt der Kultur widmen.  



Übrigens hat sogar der SimCity-Erfinder neulich zugegeben, geschummelt zu haben. Bei den virtuellen Städten hat er den Parkraum weggelassen. Sonst, so sagte er, wäre da so viel öde, sinnlos vergeudete Fläche entstanden und das Spiel total langweilig geworden. Wie halt im realen Leben.



Auch bei Civilization schummle ich gerne ein bisschen. Wenn mich ein anderer Herrscher etwa mit der Atombombe bedroht, nehme ich einfach den Editor, mache sie platt, schließe seine Universitäten und beame ihn ins Mittelalter zurück. So kann ich meine Machtgelüste noch besser ausleben und muss damit nicht, wie andere, meinen echten Mitmenschen auf die Nerven gehen. 



Der traurigen Wirklichkeit helfe ich auch beim Fußballmanager gerne mal auf die Sprünge. Da übernehme ich dann neben dem Club zusätzlich noch den FC Bayern, verpflichte für Mondpreise Nürnberger Bankdrücker und piesacke meine hoffnungsvollen Nachwuchsspieler so lange, bis sie freiwillig zum FCN gehen. Mit dem bin ich auf diese Weise sogar deutscher Meister geworden. 



Spielen muntert auf. Aber manchmal nur, wenn man schummelt.   


 

 

 


Wenn einem die ganze Welt fast zuhört

 


In dieser Kolumne habe ich schon manchen depperten Schwank aus meinem Leben zum Besten gegeben. Aber nur vierteljährlich. Ereignisse wie analoges Kratzen am Ohr oder das Einpfeifen einer Tasse Espresso fielen da unter den Tisch.  



Seitdem man auf seine vier Wände zurückgeworfen ist, ist jedoch manches anders. Da werden plötzlich der Stuhlgang oder die Einnahme einer warmen Mahlzeit zu den Highlights des Tages. Schließlich ist es ja auch schön, wenn das alles noch geht.



Kurzer Rede, langer Sinn: Ich habe mir ernsthaft überlegt, bei der WMDEDGT-Aktion mitzumachen. WMDEDGT steht für:“Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“ Hier schildern Blogger schon seit sieben Jahren, was bei ihnen zwischen Aufstehen und Zubettgehen passiert. Bisher erschien mir derartiges Tagebuchbloggen immer ziemlich öde. Langweilige Leute, die langweilige Sachen treiben und dann aus lauter Langeweile noch darüber schreiben, wer braucht sowas? Ich nicht! 



Andererseits regt Langeweile mitunter zu ungewöhnlichen Handlungen an. „Heute habe ich einmal in meinem Spamordner ein bisschen rumgelesen“, schreibt da einer. Stimmt, könnte man mal machen. Man müsste dann aber auch gleich die dort angebotenen Viagrapackungen oder Coronamasken bestellen und dem nigerianischen Prinzen seine 10.000 Euro überwiesen. Dann entstünden daraus möglicherweise auch Unterhaltungswerte.



Letztlich habe ich mich was WMDEDGT angeht, dann doch zurückhalten können. Wahrscheinlich ist die Zeit noch nicht reif und ich bin noch zu infiziert von unseren Nachrichtenseiten und meiner Twittertimeline, wo mir täglich mitgeteilt wird, wer alles schwer erkrankt oder gar gestorben ist und wem man für anstehende Operationen die Daumen drücken soll. Da reicht mein Mitgefühlsreservoir nicht für ein „Ich bin nahe am Muskelkater“.



Andererseits, wenn ich selber mal beinahe Muskelkater hätte, wäre das vielleicht realer als das Leid anderer, die ich sowieso vorerst nicht mehr treffen werde. Daheim bin ich schließlich mit mir und meinem Körper allein. Fast zumindest.  Denn da draußen ist ja noch eine Welt, in die ich über mein WLAN eine Botschaft posaunen und mir vorstellen kann, dass sie sie hört: ICH HABE MUSKELKATER! Also fast.          


 

 

 


Achtung, jetzt kommt ein Karton

 


Die Älteren können sich vielleicht erinnern. Morgens befüllte da der Postillon den Briefkasten mit diversem Schriftgut, das man dann in freudiger Erwartung mit einem Brieföffner aus Edelmetall bearbeitete, heimlich darauf hoffend, es möge ein Liebesgedicht dabei sein. Im Laufe der Zeit nahmen jedoch Rechnungen und Werbung Überhand, weshalb sich zuerst mal das mit der freudigen Erwartung legte. Später verzichtete man oft gänzlich auf den Gang zum Briefkasten. Was sollte da schon drin sein? Höchstens die Flyer irgendeines Zustellers, der des Lesens des „Keine Werbung“-Aufklebers nicht mächtig war.



Was die Kastenleerung angeht, scheinen viele säumig zu sein. Wie sonst wäre zu erklären, dass die Post neuerdings einen Benachrichtigungsservice offeriert, der einem per Mail  ankündigt, wenn Briefpost zu erwarten ist. „Sie erhalten in Kürze einen Brief“, kann man da lesen. Vorausgesetzt, man verhält sich was das Öffnen des Mailprogramms angeht nicht ebenso säumig wie beim Briefkasten. Ich beispielsweise ersaufe mittlerweile nämlich in Spammails, weil es mein Provider (der mit der einfachen Rechenaufgabe) nicht mehr hinbekommt, diese herauszufiltern. Somit würde es mich Stunden kosten, nachzuprüfen, ob da was Wichtiges dabei ist. Meine Bekannten habe ich deshalb angehalten, mir zusätzlich per WhatsApp, Facebook oder Twitter mitzuteilen, wenn sie mir was gemailt haben. 



Sollten sie mir wiederum einen Brief schreiben wollen, ein Liebesgedicht gar, dann müssten sie mir also per WhatsApp, Facebook oder Twitter posten, dass demnächst eine Mailbenachrichtigung der Post bei mir eintrudelt, die ich beherzigen sollte, weil diese wiederum einen Brief ankündigt. Damit wirklich nichts schief geht, werden Mail- und Briefankunft teilweise noch zusätzlich mit einem telefonischen Anruf abgesichert. Neulich hat mir einer auf diesen Wegen eine Postkarte in Aussicht gestellt, auf der er seine neue Mailadresse bekannt geben wollte. Die Karte habe ich leider versehentlich mit der Werbung zum Altpapier geworfen. 



Vor Jahren hat mal jemand behauptet, das Medium sei die Botschaft. So hat er das aber wohl nicht gemeint.     





Genialer Service


Ganz offensichtlich halten mich die  Sechsundsechzig-Macher für einen, der sich gerne über alles Mögliche lustig macht und wenig gute Haare an seinen Mitmenschen lässt. Diesmal haben sie mir vorgeschlagen, die wegen Corona ihr Arbeitsleben dominierenden Videokonferenzen aufs Korn zu nehmen. Weil da seltsame Buchtitel im Hintergrund auftauchen, Kinder durchs Bild huschen, Teilnehmer plötzlich verschwinden oder aus dem Off ein Lebenspartner Unverständliches reinbrüllt. Aber bin ich so ein Miesepeter? Mitnichten!


Als Beweis dafür möchte ich hier mal loben. Und zwar voller Überschwang die Deutsche Post, an der ich unlängst noch herumgemäkelt habe. Die bietet nämlich einen grandiosen, jedoch weitgehend unbekannten Service an. Einen, der unser Leben mindestens so erleichtert wie Google, Wikipedia oder Shazam.


Niemand muss nämlich mehr in abgelegene Poststellen pilgern und sich dort in Menschenschlangen einreihen, um irgendwelche Briefmarken für Schriftstücke zu erwerben, die manche halt immer noch gerne als Papier in Händen halten. Wobei: Briefmarken, das waren einst noch kleine Kunstwerke, die als Sammlerstücke taugten. Inzwischen geht es hier bloß noch um schnöde Postwertzeichen. Ein weiterer Grund, sich dafür nicht extra eine Maske überzustülpen. 


Daher ist das Handyporto so genial. Über die Postmobil-App oder per SMS an die Nummer 22122 (Stichwort „Brief“ oder „Postkarte“) fordert man einen zwölfstelligen Postwertzeichenersatzcode an. Den schreibt man dann auf den Umschlag und ab in den Briefkasten damit. Abgerechnet wird über die Handyrechnung.  


Ob ich für diese Postwerbung Geld bekommen habe, möchten Sie jetzt wissen? Natürlich nicht. Da gebe ich Ihnen mein Ehrenwort.