Tippen ist von gestern

 


Neulich war ich in einem dieser modernen Haushalte zu Besuch. Genau weiß ich nicht mehr, was wir gesucht hatten. Jedenfalls habe ich es gefunden und fröhlich gerufen: “Da liegt´s ja!“ Dadurch muss ich das runde Kästchen auf dem Regal aktiviert haben. Es fing plötzlich an zu reden, versprach meine Anfrage zu bearbeiten, und sagte, dass das eventuell eine Weile dauern könnte.



Wie mir erklärt wurde, handelte es sich bei dem Kästchen um eine gewissen Alexa. Die habe sich durch mich angesprochen gefühlt. 



Dass ich nicht der erste war, der da irritiert guckte und anfing, Bedenken zu äußern. bewies mir die Routine, mit der die Wohnungsbesitzer ihre Gegenargumente runterrasselten. Es sei halt viel bequemer, wenn man nicht erst einen Computer anschalten, bestimmte Seiten aufrufen und dann seine Fragen oder Bestellaufträge eingeben müsse. Diese Computer wiederum hätten ebenfalls ein Mikrofon und sogar eine Kamera um einen auszuspähen. Insofern sei das Kästchen auch nicht mehr Orwell. Dafür sei Alexa wenigstens schlau, kenne die eigenen Gewohnheiten und Wünsche und erspare einem lästige Umwege oder rückenunfreundliche Sitzungen am PC.



Dann zeigten sie mir noch, wie das Teil eine individuell optimierte Musikplayliste zusammenstellt. Anhand von ein paar Lieblingstiteln wird einem da das Passende vorgeschlagen. Meistens seien das „tolle Titel“, die man sonst nie gefunden hätte. Früher habe man sich da stundenlang durch das zweifelhafte Musikprogramm des Bayerischen Rundfunks gequält, um auf irgendwas Gefälliges zu stoßen. Das musste dem Plattenhändler auch noch vorgesungen werden, weil die BR-Moderatoren mittlerweile weder Titel noch Interpret erwähnen. 



Derart umständlich seinen Musikgeschmack auszuweiten, sei „voll oldschool“, meinten Alexas Mitbewohner.  Genauso „oldschool“ wie Tippen. Tippen sei „absolut von gestern“, das bräuchten künftige Generationen nur noch zu lernen, wenn es vom Arbeitgeber verlangt wird. 



Nun ja, diese Kolumne habe ich trotzdem noch getippt. Bei der nächsten besuche ich den modernen Haushalt vielleicht noch mal und brülle in Richtung Regal: „Alexa, schreib den Sechsundsechzigern bitte einen Depp im Web!“      


 

 


 Glotz mich nicht so an!

 


Als ich noch klein war, hieß es: Gott sieht alles. Beruhigt hat mich das nicht. Ich wollte nicht beobachtet werden. Aber bei Gott sind die Daten wenigstens sicher. Bei diesem weißen Kästchen an meiner Schlafzimmerdecke habe ich dagegen Zweifel. Wenn ich nachts nicht einschlafen kann, stelle ich mir immer vor, wie es mit seinem rot blinkenden Auge versucht, meine Gedanken zu lesen.



Ja klar, es soll nur verhindern, dass ich an Rauchvergiftung sterbe und es nicht merke. Dafür werde ich nun wohl bei vollem Bewusstsein an Schlafmangel sterben. Nicht mal die Wahl habe ich, welche Art des Ablebens mir lieber ist. Die Rauchmelder sind nämlich seit Jahresbeginn Pflicht.



Pflicht sind inzwischen auch SIM-Karten im Auto, zumindest in Neuwagen. eCall heißen die Dinger, die man beim Autokauf mit erwerben muss, damit sie einen dann fortwährend kontrollieren.  Die kleinen Wanzen können alles mithören, was im Auto gesprochen wird und wissen zudem ganz genau, wo sich dieses gerade befindet. Offiziell ist eCall dazu da, die 112 zu wählen, falls man einen Unfall erleidet und nicht mehr selber anrufen kann. 



Mag sein, dass sich manche damit sicherer fühlen. Ich nicht. Ich reagiere allergisch auf Beobachtung. In Wirtschaften muss ich mich deswegen immer an die Wand setzen, damit mich keiner von hinten anglotzt. Meine Computerkamera habe ich (wie hier schon erwähnt) auch abgedeckt. Und wenn mich jemand beim Auto fahren anstarrt, dann verschalte ich mich oder würge den Motor ab. Wenn ich also irgendwann mal die 112 wählen müsste, dann wahrscheinlich wegen eCall.



Deswegen werde ich wohl meine alte, sim-freie Gurke so lange fahren müssen, bis sie zusammenfällt. 



Oder bis mich der Kasten im Schlafzimmer in die Klapse geblinkt hat. 


 

 

 


 Ihr führt mich in Versuchung

 


Das Internet macht dick. Mehr denn je. So richtig ist das bloß aufgefallen, denn viele, die beruflich vor dem Monitor hocken, verbringen ihre gesamte Freizeit damit, Fett in Muskelmasse zu verwandeln. Deren digitale Lebenszeichen bestehen dann größtenteils aus körperlichen Leistungsnachweisen: Runtastic-Tweets oder Schwitzbildern vom Halbmarathon. 



Mir ist sowas zu anstrengend. Stattdessen habe ich meinen Kuchen-und Gummibärenverbrauch runtergefahren. Das erfordert zwar Willenskraft. Man bekommt es aber hin, wenn man sämtliche Versuchungen aus dem Blickfeld räumt. 



Das klappt inzwischen nicht mehr. Seit ein paar Wochen bekomme ich nämlich bei fast jeder Webseite Süßigkeitenwerbung eingeblendet. „Wir verwenden Cookies“ jubelt es mir allerorten entgegen. Facebook läßt mich gar nicht mehr rein, weil ich im Browser „die Cookies“ deaktiviert habe. 



Cookies, diese wohlschmeckenden, runden Dinger, die gegen Unterzuckerung helfen und dem Leben die fehlende Süße verleihen… Die Begierde droht mich zu übermannen. Bei Rewe kann ich mir die 100-Gramm-Packung Butter-Cookies doch für 3,26 € bequem bestellen und nach Hause liefern lassen. Mein Klickfinger juckt extrem. Das ist Folter, ihr Pfosten! 



Natürlich, im Kopf weiß ich, dass die nervenden Pop-Up-Fenster wegen der neuen Datenschutzbestimmungen eingebaut wurden und dass es sich bei den erwähnten Cookies um kleine Datenpakete handelt, mit denen die Seitenbetreiber ein bisschen mehr über mich erfahren wollen.  



So deppert bin ich auch wieder nicht. 



Aber diese Schnüffelei hatte ich eigentlich über die erwähnten Browsereinstellungen wunderbar im Griff. Dass mir die europäischen Datenschützer nun derart massive Anfechtungen eingebrockt haben, lässt für mich daher nur einen Schluss zu: 


Die EU steckt mit der Zuckermafia unter einer Decke.     


 

 

 


In der Drogenfalle

 


Manchmal beneide ich jene, die immer noch wacker ohne smarten Kleincomputer durchs Leben gehen. Die müssen sich wenigstens nicht umstellen, wenn irgendwann die Lichter ausgehen oder wenn - wie bei mir - das Eifon die Grätsche macht.



Seit über zehn Jahren besitze ich ein Eifon. Ich benutze es nicht bloß um mich mit Mitdeppen sozialmedial auszutauschen, sondern auch als Terminkalender, als Einkaufszettel, als Navi, als Fahrkarte oder als Ersatz für die Armbanduhr und das Festnetztelefon. Selbst mein Hirn hat sich inzwischen daran gewöhnt. Das meiste muss es sich nicht mehr merken, schließlich lässt sich das im Ernstfall nachschauen. Geburtstage, Telefonnummern, Rezepte, Musiktitel…. 



Mittlerweile habe ich das vierte Eifon. Aufgrund meines Vertrages durfte ich alle zwei Jahre ein neues, (angeblich) besseres, ordern. Nachdem das aber weder unweltschonend noch rentenkompatibel ist, beschloss ich, auf einen Vertrag ohne Handy umzusteigen und mit meinem Eifon 7 in die Gruft zu steigen. 



Doch mein Apfelhändler macht das Schwierigkeiten. Den musste ich neulich wegen akuter Akkuschwäche aufsuchen. Die ist modellbedingt, weshalb man den Akku auf Kulanz günstig tauschen lassen kann. Aber natürlich nur in der Theorie. Das Handy hat nämlich einen weiteren Konstruktionsfehler: Es verbiegt sich wenn man es etwas schärfer anschaut. Hier greift die Kulanz jedoch nicht. Und der  Vorteil liegt wieder beim Händler,  Der kann dann den wenig lukrativen Akkuwechsel ablehnen, weil dieser angeblich den Exitus des Eifons zur Folge haben könnte. Ich solle mir doch ein neues Gerät kaufen, rät er.



Zwischen 1300 und 1700 Euro. kostet das. Als Rentner müsste man dafür ein paar Wochen auf Wohnen und Essen verzichten. Ich habe mir deshalb lieber für 40 Euro  einen, leider nicht gerade grazilen Zusatzakku besorgt, den ich jetzt zusammen mit dem Handy herumschleppe. Handlich ist das natürlich nicht mehr. 



Aber so ist das halt bei Drogendealern: Erst treiben sie einen in die Sucht, dann ziehen sie einem das letzte Hemd aus. Nebenbei versuchen sie, neue Abhängigkeiten zu schaffen. Sogar die Sparkasse will uns jetzt ins mobile Bezahlen treiben. 



Macht da nicht mit, Leute! Keine Macht den Drogen!