Die Hupfla ist schuld

 


Schon seit ein paar Jahren decke ich die Webkamera an meinem PC mit einer Plastikklammer ab. Zuvor hatte sie mitunter unmotiviert zu Leuchten angefangen und mir so den etwas beunruhigenden Eindruck vermittelt: Da interessiert sich einer für dich. Inzwischen decken auch anerkannte Nichtdeppen wie die Chefs von Facebook und FBI ihre Kameras ab.



Wären die so früh drauf gekommen wie ich, dann hätten sie sicher ein Geschäftsmodell daraus gemacht. Ich selber war leider zu blöd dazu. Wobei ich mich damals – deswegen traue ich mich auch jetzt erst, das Thema in der Kolumne aufzugreifen -  lieber bedeckt halten wollte mit meiner Paranoia, um nicht in die Hupfla (für Auswärtige: Heil- und Pflegeanstalt) eingewiesen zu werden.



Dort war ich mal, um jemanden zu besuchen. Schon vor 1984 wurde man da orwellmäßig von einer unsichtbaren Kamera, Mikrofonen und einer furchterregenden Stimme aus dem Off abgecheckt. Das war mir damals so unheimlich, dass ich da auf keinen Fall mehr hin wollte.



Daheim brauche ich sowas erst recht nicht.



Letztlich hat mich also die Hupfla daran gehindert, den 3D-Drucker anzuwerfen und übers Internet  Kameraabdeckungen zu verhökern. Da machen jetzt andere den Reibach. Für 9,90 Euro werden die Abdeckungen verkauft.  Doch nur wer doof ist, schlägt hier zu. Denn ein Aufkleber oder wie bei mir eine alte Klammer tun es eigentlich auch.



Wobei das alles nur scheinbare Sicherheit verschafft. Unbefugte gelangen so zwar nicht mehr an Bilder, die einen in unvorteilhaften Posen und Outfits zeigen. Politische Statements, die unsereins öfter mal durchs stille Kämmerlein schmettert, oder unpolitisches Gestöhne beim Popeln und anderen Verrichtungen, werden nach wie vor durch das ebenfalls integrierte Mikrofon übertragen. Das könnte der Nutzer, wie Facebookgründer Mark Zuckerberg, ebenfalls abkleben. Doch dann wird der Ton lediglich leiser. Zudem schneidet das oft im Zimmer liegende Handy ebenfalls mit. Als Gegenmaßnahme konnte man bisher immer noch einen Stöpsel in dessen Kopfhörerbuchse stecken. Jetzt hat Apple auch dieses Schlupfloch geschlossen und die Kopfhörerbuchse abgeschafft.



Inzwischen traktiere ich die Lauscher deshalb gerne abwechselnd mit den Hörbüchern: „Das Kapital“ und „Mein Kampf“. Zur musikalischen Untermalung lege ich den Freejazzer Peter Brötzmann auf. Das wird sie bald so kirre machen, dass sie freiwillig in der Hupfla einschecken, zum orwellnessen.     


 

 

 


Alles hat zwei Hälften, nur die Brigitte hat drei

 


Seitdem ich den Heiko Maas kenne, bin ich  im Darknet unterwegs. Da ist man vor solchen Leuten sicher. Nicht völlig, aber mehr. Habe ich mir sagen lassen. Dafür nehme ich auch in Kauf, dass der von mir dafür benutzte Tor-Browser das Surfen  um einiges langsamer macht. Aber Entschleunigung schadet nicht. Gerade im Alter.



Nachdem ich im Netz weder nach Waffen noch nach Drogen suche, sind es andere Dinge, auf die ich im Darknet stoße. Zum Beispiel auf die Brigitte. Nein, nicht die, sondern die, früher von Frauen gerne gelesene Illustrierte. Die ist jetzt auch im Netz verfügbar. Wahrscheinlich schon länger und auch im nicht abgedunkelten. Aber das weiß ich jetzt nicht so genau.



Wie dem auch sei, die Brigitte hat inzwischen ebenfalls ein Angebot für uns Senioren. Das heißt Brigitte-wir (brigitte-wir.de) und wäre eigentlich nicht der Rede wert, zumal in einem Konkurrenzprodukt. Jedoch gibt es da den Untertitel und der lautet: „Das Magazin für die dritte Lebenshälfte“.



Auch wenn ich in Mathe nicht  regelmäßig aufgepasst habe, kommt mir das komisch vor. Hat sich da inzwischen rechnerisches Neuland aufgetan? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wenn ja: Kann man da noch die Brigitte lesen?



Diese Fragen richtete ich an den Verlag, bei dem die Brigitte erscheint (Gruner+Jahr). Wahrscheinlich ist mein elektronisches Schreiben dort aber untergegangen. Möglicherweise deswegen, weil es aus dem Dunkel des Netzes gesendet wurde.



Falls es unter meinen Lesern also jemanden gibt, der weiter unter der Aufsicht unserer Behörden surft, hätte ich eine Bitte: Würden Sie obige Fragen noch einmal den Brigitte-Verantwortlichen übermitteln. Es könnte schließlich sein, dass die Antworten der Menschheit weiter helfen oder wenigstens jenem Teil von ihr, der sich für Mathematik interessiert.     


 

 


WhatsApp und der Griff ins Klo

 


„Nein, ich bin nicht bei WhatsApp!“ Jahrelang konnte ich das stolz verkünden. Verknüpft habe ich das immer mit einer Warnung vor der Übernahme der Weltherrschaft durch Mark Zuckerberg verknüpft.  Auch argumentativ habe ich da gerne alle Register gezogen. Sogar der Ratschlag eines gewissen Epikur kam zum Einsatz: λάθε βιώσας  Während nämlich andere irgendwelche Fremdwörter oder Zitate von Dieter Nuhr auswendig lernen, sich eine Lesebrille auf die Nase packen oder Zeige- und Mittelfinger so an die Schläfe drücken, dass es aussieht, als würden sie denken, habe ich mir diese zwei griechischen Worte gemerkt, die auf Deutsch übrigens „Lebe im Verborgenen!“ bedeuten.



„Der Depp kann Griechisch“, schallte es dann oft erstaunt zurück. Den derart Beeindruckten log ich dann vor, ich hätte jede Menge Epikuräer in meinen Telefonkontakten und die würden Wert darauf legen,  ihren Grundsätzen treu bleiben  zu dürfen. Wenn ich dem Facebookkonzern, dem WhatsApp mittlerweile gehört, die Daten aus meinen Telefonlisten übereigne, dann sei es nämlich vorbei mit der Verborgenheit. Geholfen hat das alles leider wenig. Nicht einmal meine Verwandschaft mochte meine Bedenken gegenüber dem Messengerdienst teilen und hat mich inzwischen gezwungen, WhatsApp beizutreten, wenn ich mit ihr weiter in Kontakt bleiben will.



Kaum hatte ich mich zähneknirschend angemeldet, hat  ein deutsches Gericht (Bad Hersfeld) festgestellt: Ich habe mich strafbar gemacht. Genau wie fast alle anderen WhatsApp-Nutzer. Wir hätten nämlich erstmal das schriftliche Einverständnis unserer Telefonkontakte einholen müssen ehe wir deren Daten dem Zuckerberg-Imperium übereignen.



Oweh! Nicht einmal auf Unwissenheit herausreden kann ich mich da. Höchstens (auch auf diesem Weg) um Entschuldigung bitten und darauf hoffen, dass mich keiner meiner Kontakte vor Gericht zerrt.



Wie blöd darf man sein? Und dass das ausgerechnet mir, dem Möchtegern-Epikuräer passiert! Vielleicht sollte ich es auch lieber mit Dieter Nuhr probieren.      



 

 

 


Mit dem Gesicht kommen Sie nicht rein

 


Im Cyberspace bewege ich mich inzwischen wie eine Stöckelschuhträgerin bei Glatteis: total unsicher. Mein PC ist mehr als zehn Jahre alt. Von Updates wird mir abgeraten. Meine Browser werden nicht mehr unterstützt und ständig erhalte ich irgendwelche Warnungen. Aber:  Ich kann mich damit wenigstens überhaupt noch bewegen.



Mein Laptop ist nämlich neuer und softwaremäßig auf der Höhe der Zeit. Die Folge ist jedoch, dass etliche meiner Lieblingsprogramme nicht mehr laufen. Demzufolge verwende ich das Teil nur noch selten. 



Mein dritter Zugang zur digitalen Welt, das Smartphone, ist zwar noch nicht völlig veraltet. Dafür fängt der Akku mittlerweile an zu schwächeln. 



Da wirft man notgedrungen einen Blick auf das Nachfolgemodell. Dessen einzige nennenswerte Neuerung ist eine Gesichtserkennung. Damit brauche ich angeblich nur meine Visage vor die Kamera halten und das Handy entsperrt sich von selber. Bislang muss ich noch die Zahlen 1, 2, 3 und 4 eingeben.



Nun hat außer mir keiner eine derartige Visage. Insofern ist das Ganze wohl gegen Missbrauch geschützt  Andererseits entgleisen mir öfter mal die Gesichtszüge. Zum Beispiel wenn ich am Abend vorher etwas getrunken habe. Oder wenn mich die Bauarbeiten in der Nachbarschaft morgens senil bettflüchten lassen. Da dürfte mich die Sprachassistentin Siri möglicherweise freundlich auffordern: „Rasier dich erst mal gescheit, sonst kann ich dich nicht reinlassen.“ Am Ende postet sie noch an meine Facebookfreunde, ich sei heute indisponiert und sähe aus wie Sau. 



Deshalb würde ich lieber ein Foto von mir vor die Kamera halten. Aus Sicherheitsgründen könnte ich das ja im Koffer mit dem Zahlenschloss deponieren. Das hat - zu meiner intellektuellen Entlastung - übrigens ebenfalls die Kombination 1,2,3,4.  



Bloß, wo ist da der Fortschritt? Wahrscheinlich lasse ich also doch nur den Akku tauschen. 



Lieber alt und klapprig, als neu und nervig.