Mit lesen Geld verdienen

 


Schon lange mache ich mir Gedanken, wie ich zu Geld kommen kann.  Leider bin ich dabei nicht der einzige. Auch andere entwerfen Bezahlmodelle. Freilich nur um bei mir abzukassieren und nicht um mir was zukommen zu lassen. Das geht so natürlich nicht.



Die im Internet kursierenden Bezahlmodelle haben ohnehin einen entscheidenden Fehler: Sie verlangen Geld für Dinge, die dort bereits im Überfluss vorhanden sind. Wenn ich Musik hören, einen Film sehen oder einen Artikel lesen will, dann ersticke ich im Überangebot. Bei Instapaper habe ich noch massenhaft ungelesene Artikel und ungesehene Videos herumliegen. Die Liste wird  immer länger. Oft habe ich nämlich gar keine Lust mehr, mir anderer Leute Ergüsse reinzuziehen. Dafür auch noch bezahlen? So weit kommt´s noch!



Deswegen mein Vorschlag: Die Urheber zahlen für meine Aufmerksamkeit. Im Gegenzug werden sie von mir bevorzugt behandelt: gleich gehört, gleich gelesen und wenn es sein muss auch mit einem sachkundigen Kommentar bedacht. Langsam sollten sie anfangen, in qualifizierte Konsumenten zu investieren. Ich beispielsweise habe von hervorragenden Pädagogen das Sinnextrahieren aus Buchstaben gelernt. Sogar in Bayern. Meine halbe Jugend habe ich in Plattenläden verbracht und weiß selbst über abartigste Westcoast-Rock-Gruppen Bescheid. Und was Filme angeht macht mir auch keiner was vor. Ein Publikum wie mich, kann sich ein Künstler nur wünschen.



Aber für lau gibt es das nicht.  Jetzt wird bezahlmäßig zurückgeschrankt.



Ich gehe mal gleich mit gutem Beispiel und diesem Beitrag hier voran. Jeder der ihn bis hierher gelesen hat, bekommt einen Euro. Zugrunde gelegt wird dabei ein Facharbeiter-Stundenlohn von 30 Euro und eine benötigte Zeit von zwei Minuten (wer länger braucht, muss eben seine Lesegeschwindigkeit verbessern). Natürlich kann ich das Geld nur Menschen übermitteln, die sich als solche ausweisen und die den Text auch wirklich gelesen haben. Das läuft über meine Deppen-Facebookseite. Der Leser muss sich also bei Facebook anmelden, Fan von mir werden und Fragen wie „Wo hat der Depp lesen gelernt?“  richtig beantworten. Weil Facebook kein Geld auszahlt, benötigt er zusätzlich einen Paypal-Account. Um PayPal-Mitglied zu werden,  muss er sich mit Name, Adresse, Geburtsdatum, Kontonummer und Bankleitzahl registrieren und dann abwarten bis die Daten mit der Schufa und anderen Institutionen abgeklärt sind....(die weiteren Schritte spare ich mir, sie sind auf der Paypal-Seite nachzulesen).


 


Das hört sich jetzt vielleicht etwas umständlich an, aber andere Bezahlmodelle sind auch nicht einfacher. Wenn´s ums Geld geht, wird´s halt gerne mal kompliziert.   


 

 

 


Es wird alles öde enden

 


Computer sind böse. Viereckige Augen soll man von ihnen bekommen. Nicht selten Übergewicht. Unvorteilhafte Hornbrillen wachsen einem auf der Nase. Freunde und der Bezug zur Realität verabschieden sich. In krassen Fällen wird man sogar ein widerwärtiger, hässlicher Zeitgenosse, der bei Nordbayern.de gegen die Netiquette verstößt.



Gegen uns Computerbenutzer wird viel gelästert. Manches hat sich als richtig, vieles als falsch erwiesen. Deswegen werden immer neue Geschütze aufgefahren.  Neulich habe ich in einem zwangsgebührenfinanzierten Abendgelaber ein Argument gehört, das mich aber doch ins Grübeln brachte:



Es droht der Verlust der Langeweile.



Langeweile, das wusste ich bisher nicht, ist nämlich der Ursprung aller Kreativität. Weil Kinder sich langweilen, erfinden sie Spiele oder allerlei Schabernack. Weil Erwachsene sich langweilen, schreiben sie Bestseller oder gehen wenigstens in die Sky-Bar und finden den Partner fürs Leben.



Am Anfang war also nicht das Wort, am Anfang war die Langeweile. Selbst Gott muss sich wohl  gelangweilt und dann schnell die Welt erschaffen haben.



Der Computer kommt hingegen vom Teufel. Denn er schafft die Langeweile ab. Nur noch Halligalli vor dem Monitor. Nur noch witzige YouTube-Filmchen. Immer ist jemand zum Spielen da. Immer findet sich ein Depp, der sich mit einem selbst über abartigste Themen unterhält. Und wenn gar nichts geht, kann die Surferin ja noch bei Zalando nach Schuhen gucken.



Freilich: Wenn das alles stimmt, dann kommt nichts mehr Neues nach, weil aus Mangel an Langeweile keinem mehr etwas einfällt. Dann steht sie wieder auf. Stärker als je zuvor. So lernen wir:



Die Langeweile stirbt nie.



Wenn ich also mal wieder in einem öden Vortrag, in einem endlosen Konzert oder vor einem drögen Stück Papier sitze, dann werde ich daran denken: Die wollen alle nur meine Kreativität fördern.



Im Augenblick sitze ich allerdings noch vor dem Computer.    


 

 

 


Katholisch surfen

 


Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an die Gegenreformation. Ich nicht mehr. Aber als sie mit Aids die sexuellen Revolution niedergemacht haben, das ist mir noch gewärtig. Vielleicht bin ich deswegen gelassener, wenn die Spaßbremsen, die reaktionären, nun via Prism versuchen, dem digitalen Spuk ein Ende zu setzen.



Aufgrund meiner Altersvorsicht treibe ich es im Netz nämlich mit Kondom. Zum Beispiel registriere ich neue Computer oder Software meistens mit Phantasienamen. Mein richtiges Alter gebe ich, als Dame von Welt, sowieso nie an. Bei persönlichen Daten vertippe ich mich gern. Zudem habe ich etliche Metadeppen oder Alter-Egos erfunden, die ich für alle möglichen Netzaktivitäten einspanne.



Mein heimischer PC ist beispielsweise auf den Innenminister zugelassen. Bei Google bin ich als Thomas Müller, auf Schmutzelseiten hingegen als mein berühmter Namensvetter unterwegs. Da werden die bei der NSA ganz schön ins Grübeln kommen, wieso Thomas Müller so schlecht über die Bayern redet und es Johnny Depp nötig hat, sich Pornos runterzuladen.



Unter meinem richtigen Namen klicke ich schon auch hin und wieder, allerdings auf einem anderen Browser und ohne IP-Verschleierung. Wenn jemand überhaupt keine Spuren hinterlässt, macht er sich schließlich verdächtig. Da greife ich dann zum eigentlich nur noch dazu tauglichen Internet Explorer und bestelle mir Gratisexemplare der heiligen Schrift oder des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. Oder ich abonniere die Videobotschaften der Kanzlerin. Dass ich dann bei Google oder YouTube nur Langweilerseiten empfohlen bekomme, damit kann ich leben.



Ich nenne das gerne: katholisches Surfen. In Wirklichkeit bin ich sauber und fromm. Und wenn nicht, dann war das der Mister Hyde oder der alte Adam. Dass ich nicht der einzige bin, der ein solches Doppelleben führt, hat übrigens neulich die Volkszählung ergeben. Allein in Nürnberg fehlten da plötzlich 20.000 Einwohner. Ein paar davon bin ich.  


 

 

 


Nummer 0 statt Nummer 1

 


Meine Altersmilde nervt mich manchmal selber. Neulich bin ich gutgläubig auf einen SEO-Experten reingefallen. Der hatte mich mit dem Spruch geködert: „Ich mache dich zur Nummer 1!“ Nummer 1 sein, das wollte ich immer schon mal. Zumal wenn die Eigenleistung nicht groß ist. Ich sollte lediglich einen HTML-Code in meine Homepage einbauen. Den Code, wurde mir gesagt, bekäme ich für kleines Geld, exklusiv auf mich zugeschnitten.



Regelmäßige Leser dieser Kolumne wissen: Ich befinde mich in einem erbitterten Kampf mit einem US-Schauspieler um die Google-Poleposition beim gern gesuchten Keyword „Depp“.  Johnny Depp hat mich da in den letzten Jahren leider ziemlich deklassiert. Zuletzt war ich nur noch irgendwo zwischen den Seiten 20 bis 30 gelistet. Da muss einer schon viel Geduld aufbringen, um mich zu finden.



Insofern kam mir das Angebot dieses SEO-Fachmanns (SEO steht übrigens für Suchmaschinenoptimierung) gerade recht.  Ich kopierte also - für kleines Geld - den von ihm angebotenen HTML-Code. Parallel dazu wollte der SEO-Typ für die Links sorgen, die auf www.deppimweb.de verweisen. Verlinkungen, so sagte er, bringen besseres Google-Ranking. Die richtigen Keywords dazu hätte ich in meinem Code.



Lange tat sich nichts. Das grämte mich zunächst nicht, wusste ich doch, dass die Google-Robots eine Weile brauchen, bis sie sämtliche Deppenseiten durchforstet haben. Doch dann kam der Schock: Bei „Depp“ ist meine Seite inzwischen gar nicht mehr gelistet. Nichtmal mehr hinten. Als ich in meiner Verzweiflung „Depp“ und „Web“ gemeinsam eingab, tat Google einfach so als hätte ich mich verschrieben und zeigte mir Seiten über „Deep Web“ an.


Ich lud meinen geballten Frust bei dem SEO-Trottel ab. Was die Scheiße solle? Ob er gedenke, mir mein kleines Geld zurückzuüberweisen? Wo er seinen SEO-Führerschein gemacht habe?  


Jetzt schrieb er mir zurück. Google habe seine Richtlinien geändert. Begriffe, die negativ besetzt wären und als Beleidigung aufgefasst werden könnten, würden nicht unterstützt. Deswegen gebe es zu „Depp“ auch nur 34 Seiten, obwohl minütlich irgendwer im Netz als Depp bezeichnet würde, in Österreich übrigens noch häufiger als in Deutschland. Ob ich meine Seite nicht in „Sepp im Web“ umbenennen wolle? Für kleines Geld könne er mir gerne die entsprechenden Anpassungen vornehmen und mich zur Nummer 1 machen.


Nichts da! Erst spionieren sie uns aus, wo es geht, und dann wollen diese Ami-Konzerne uns auch noch unseren gut eingeführten Wortschatz wegnehmen.


Sepp, so weit kommt es noch!