Globale Dorftrottel

 


Da macht sich die Menschheit auf, fremde Planeten zu besiedeln, und wo landet sie: In Bubenreuth, beim Dorftrottel-Treffen. Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin nämlich regelmäßiger Gast dieser international besetz-ten Veranstaltung, und da geben sich ziemlich vielfäl-tige Spezialtrupps die Ehre.



Auch der Nachwuchs wird behutsam an die Gruppe herangeführt. Die Jungtrottel werden DDD (»Digitale Dorfdödel«) genannt, weil sie im Gegensatz zu den Alten mit Computern umgehen können und die aktuell-sten Entwicklungen im Netzgeschehen kennen. Dafür können sie aber nicht über so existenzielle Fragen wie »Einatmen, bringt‘s das?« oder »Fränkischer Hausflur mit drei Buchstaben?« ein ganzes Wochenende lang herumdiskutieren.



Trotz meines hohen Alters verstehe ich mich aber gut mit den jungen Dorfdebilen, schließlich bin ich auch an Internet-Neuigkeiten interessiert (schon deshalb, um Sie, werte sechs+sechzig-Leser, auf dem Laufenden zu halten). Und, was soll ich sagen: das letzte Trottel-treffen war wieder sehr ergiebig.



Ich wurde nämlich auf die mir bislang unbekannte Adresse www.shoutcast.com aufmerksam gemacht. Dort sei musikmäßig für jeden etwas dabei, es gebe Hunderte von Sendern, schön in Kategorien aufgeteilt. Und das Tolle: Das Anhören kostet nichts und es ist auch nicht am Rande der Legalität. Hatten mir die DDDs vorge-schwärmt.


Ich war da erst skeptisch. Aber inzwischen bin ich ein echter Fan von Shoutcast. Mein Computer ist seitdem besser gelaunt und dudelt immer fröhlich vor sich hin, wenn ich im Internet herumsurfe. Er entführt mich nach Arabien oder an die amerikanische Westküste, in die sechziger oder fünfziger Jahre, in irgendwelche zigarrenverqualmte Havannabars oder in renovierungs-bedürftige weißrussische Konzertsäle. All das kann ich mir vorher aussuchen, so dass ich mir beispielsweise die neunziger Jahre, in denen insbesondere auf der ibe-rischen Halbinsel musikalisch nicht viel lief, gar nicht erst antun muss.



Man wird sowas von multikulturell mit Shoutcast, das ahnen Sie gar nicht. Gleichzeitig stillt man sein Fernweh und verreist praktisch gratis. Wem die Musik besonders konveniert, der kann sie sogar aufnehmen (und dagegen gibt es noch nicht einmal einen Para-grafen, der einem ein schlechtes Gewissen bereitet). Dazwischen sprechen hin und wieder Moderatoren in der jeweiligen Landessprache zu einem und klären über die Titel auf. Auf manchen Kanälen wird nur gespro-chen. Teilweise in Deutsch.


Wenn Ihnen also jemand sagt, das Internet öde an, da werde man nur abgezockt, virenverseucht oder aus-spioniert, glauben Sie ihm nicht. Es bietet doch so tolle Neuerungen wie Shoutcast.



Neulich habe ich das stolz einem Bekannten vorge-führt, der noch nie an einem Computer gesessen hat. Da hat der doch glatt behauptet, er hätte ein Gerät in seiner Küche, das könne dasselbe und habe seinerzeit bloß 20 Mark gekostet. Deppen gibt‘s! Der kriegt keine Einladung zum nächsten Dorftrotteltreffen, der ist zu blöd dafür.



 

 

 


Das »Tote-Hosen-Brett«

 


Im Laufe eines Lebens sammelt sich im Haus allerlei Schrott an. Irgendwann wird die Menge so groß, dass sie nicht mehr in den Keller passt. Was dann? Wegschmeis-sen? Das war einmal. Mittlerweile gibt es »ebay«, den Internet-Trempelmarkt. Allerdings dürfen Sie dort ihre alte Schachtel nicht als »verraunzt, miefend und im-Weg-rum-stehend« anpreisen. Dann kauft sie selbst im weltweiten Netz kein Schwein und sie bleiben auf der Schachtel sitzen und der Keller leert sich nie.



Doch will ich hier nicht über alte Schachteln weiterre-den und mir Ärger mit Frauenbeauftragten einhandeln. Ich erzähle lieber von meinem alten Brett. Es ist ein richtig schönes Brett. 90 mal 35 Zentimeter. 1a Press-Span. Formaldehydklasse 2. Früher war es einmal weiß. Inzwischen ist es etwas angegraut. Dieses – obschon astreine – Brett wird in meinem Haushalt seit längerem nicht mehr benötigt und liegt daher im Keller.



Bevor ich jedoch das neue Terrain »ebay« betre-ten wollte, konsultierte ich erst einmal ein paar mir bekannte Experten. Einer dieser Fachleute fragte mich dann: »Hat dieses Brett eine Geschichte?« Ein Brett, eine Geschichte? Ein Brett ist ein Brett. Vor allem gilt das für Press-Spanbretter 90 mal 35.


Doch dann fiel mir ein: Das Brett diente mir früher zum Präsentieren meiner Langspielplatten und wurde vor mehr als 20 Jahren mal von den »Toten Hosen« heruntergerissen. Vielleicht war es Campino oder Trini Trimpop, das weiß ich nicht mehr genau.



»Was, von den Toten Hosen!?«, jauchzte mein Fach-mann. Dann könne ich ja locker ein paar Hundert Euro für das Brett herausschlagen. »Mann, die sind halt bloß blöd an das Brett gekommen, das haben dann die Dübel nicht ausgehalten«, gab ich zu bedenken. »Ein Brett, das von den Toten Hosen heruntergerissen wurde«, schrie mein Experte, »Mann, verstehst Du?«



Ich verstand gar nichts. Brett? Tote Hose? Muss ein Depp da durchblicken? Aber, Sie wissen es bereits: Ich bin kein gewöhnlicher Depp, ich bin ein Internetdepp. Dennoch machte ich das, was Deppen immer machen: den Experten folgen und sich das dafür nötige Halbwis-sen aneignen.



Ich hatte es schon genau im Kopf. »Das Tote-Hosen-Brett. Kaufen Sie das Tote-Hosen-Brett!« »100 Euro Mindestgebot, den Versand übernimmt der Empfänger.« Ich würde reich werden, und das mit einem alten Brett. Endlich würden sich meine Internetaktivitäten auszahlen! Also meldete ich mich unter http://www.ebay.de an und klickte mich durch das Kleingedruckte. Doch als ich mich einloggen wollte, musste ich lesen: »ebay akzeptiert Ihren Browser nicht«.



Sollte ich auch meinen Browser verhökern, meist-bietend, mit Funktionsgarantie und Versandkosten zu Lasten des Anbieters? Nein! Den will ich behalten, der tut’s noch.


Immerhin hat er mir kurz danach zu der Information verholfen, dass ebay bereitwillig alle erzielten Gewinne dem Finanzamt meldet.



Mein Brett biete ich daher lieber erst einmal in sechs+sechzig an. Wer also das Tote-Hosen-Brett haben will: Bitte Gebot bei der Redaktion abgeben!



 

 

 


Wie ich von der Pest geheilt wurde

 


Ich bin doch nicht blöd und zahl‘ Praxisgebühr!«, dachte ich neulich, als ich plötzlich starke Schmerzen am Hintern bekam. Da ich ohnehin gerade online war, brachte ich also mein Anliegen zunächst einmal in dem von mir und etlichen anderen Deppen bevölkerten Chat-Raum vor.



»Mir tut‘s hinten saumäßig weh«, tippte ich knieend in die Tastatur, denn sitzen konnte ich nicht mehr. Erst alberten sie herum. Wie es denn vorne aussehe, ob es wenigstens da noch gehe, wollten die Mit-Chatter wissen. Das Übliche halt. Doch da muss man durch, wenn man einen Rat will.



»Du hast die Pest«, antwortete mir schließlich »Kurti 53«. Die anderen bestätigten dies prompt: »Einwand-frei: Pest!«. »Süßmaus 32« riet mir: »Pass auf, dass Du nicht über die Stadtmauer geschmissen wirst«. Wenn sie alle die gleiche Diagnose stellen, dann wird‘s wohl stimmen...



Zum Doktor wollte ich aber immer noch nicht. Außer-dem war Mittwoch, und da hat keine Praxis offen, nicht mal für Pestkranke.



Also begann ich (mittlerweile hatte ich auch an den Knien Schmerzen), mich mit Hilfe der Suchmaschine Google über die Symptome der Pest zu informieren. »Hohes Fieber?«. Ich griff an die Stirn: Nein, das stimmte schon einmal nicht. »Blaue Beulen?«. Ich holte einen großen Spiegel und ließ die Hose herunter: auch keine Beulen, blau schon gar nicht, eher rote Flächen und die auch nur links.



Mittlerweile war ich durch meine Pest-Recherchen derart ins Medizin-Geschäft eingetaucht, dass ich mir (trotz permanenter Hinweise wie: »Die Informationen dürfen auf keinen Fall als Ersatz für professionelle Beratung oder Behandlung durch ausgebildete und anerkannte Ärzte angesehen werden.«) zutraute, selbst rauszufinden, was meine Beschwerden verursachte.



Von www.patientenrichtlinien.de hangelte ich mich zu www.netdoktor.de, zu www.medizin.de, zu und schließlich zu www.ard.de/ratgebergesundheit/ . Selbstmedikation sei das, was ich da mache, wurde mir gesagt. Das klang gut. Ich war begeistert und fühlte mich auf einmal der Speerspitze der Gesundheitsreformbewegung zugehörig. Der Schmerz schien auch schon etwas nachzulassen.



Ich war also guter Dinge, um Doktor und Praxisgebühr herumzukommen. Windpocken, Masern, Ödeme... erwiesen sich jedoch nur kurzfristig als richtige Spuren. Schließlich landete ich bei »Druckstellen infolge ein-seitiger Belastung«. Die könnten auch beim falschen Sitzen auftreten, weshalb man seine Position überprüfen sollte.



Kein Problem, ich hatte ja schon den Spiegel neben meinem Computer aufgebaut. In der üblichen Sitzposition blickte ich in das Spiegelbild und schlagartig wurde mir, dem geborenen Selbstmedikator, die Wurzel des Übels klar: Ich surfe auf einer Po-Backe.


Seitdem setze ich mich richtig hin, und was soll ich Ihnen sagen: Keine Schmerzen mehr!


Das Internet hatte mich geheilt. ES WIRKT WUNDER! Nun ja: Ohne übermäßiges Internetsurfen hätte mir vielleicht gar nichts weh getan. Das muss ich zugeben.



 

 

 


Liebes Tagebuch

 


Kennen Sie das? Kein Schwein interessiert sich für einen. Wenn man ein paar Erlebnisse aus seinem Leben erzählen will, tun alle beschäftigt, behaupten, sie hätten »üüüüberhaupt« keine Zeit und verschwin-den irgendwohin. Also brabbelt man schlimmstenfalls seine Erkenntnisse in die analoge Atmosphäre, die aber wieder einmal »üüüüberhaupt« nicht zuhört.



In der digitalen Welt ist das anders. Da werde ich meinen Krempel los – und zwar, seitdem ich stol-zer Besitzer eines »Weblogs« bin. Das ist ein Internet-Tagebuch. In das schreibe ich solche Sachen rein wie: »Gestern habe ich mir…«



Aber das wollen Sie hier wahrscheinlich gar nicht lesen, Sie Printmedien-Konsument, Sie analoger!



Da erzähle ich Ihnen wohl lieber, wie ich zu meinem Weblog, abgekürzt Blog, gekommen bin.



Das geht nämlich supereinfach. Kann jeder Depp, also auch ich. Und kosten tut es auch nicht unbedingt etwas.



Sie surfen beispielsweise auf die Adresse www.blogg.de, www.myblog.de oder www.typepad.com. Dort geben Sie Ihre Daten ein. Also E-Mail-Adresse, unter welchem Namen Sie auftauchen wollen und wie Ihr virtuelles Tagebuch gestaltet sein soll. Dazu bekommt man ein paar Vorgaben geliefert und sucht sich einfach das Passende aus. Über sich selbst kann man auch ein paar Angaben machen. Man sollte sich gleich noch ein »Moblog« anlegen, damit geht alles total bequem: Jeden neuen Eintrag ins virtuelle Tagebuch kann man dann nämlich per E-Mail schicken.



Ich habe also gleich an meine neue »Moblogadresse« geschrieben: »Gestern habe ich mir…« Aber das interes-siert Sie wahrscheinlich immer noch nicht.


Wichtig ist natürlich auch, dass man sein Blog bei möglichst vielen Leuten bekannt macht. Auch dazu steht einiges in der Anleitung. Außerdem gibt es ver-schiedene Kategorien, und wenn ich was Neues schreibe, etwa zum Thema Deppenwesen, dann bekommen das alle mitgeteilt, die am Deppenwesen interessiert sind. Die können mir, wenn sie wollen, einen Kommentar dazu schicken. Der taucht ebenfalls in meinem Blog auf.



Zu meiner ersten Meldung habe ich gleich einen sol-chen bekommen. Ha, und nun kann ich Sie doch noch damit belämmern!



Die Meldung lautete: »Gestern habe ich mir eine Wagner-Kochbeutelpizza warm gemacht. Danach war mir schlecht.« Da hat mir einer als Kommentar dazu geschrieben: »Das ist eine Gefrierpizza und keine Kochbeutelpizza: Die Folie musst Du vor dem Backen entfernen.«



Guter Tipp, seitdem wird mir nicht mehr schlecht.